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Mental-Trainerin und Sportpoetin in kühler süd-koreanischer Verpflegungsstelle...
Foto: Volker, Seogwipo, Jeju-do

Standard Chartered Ironman Korea, Jeju Island
27. August 2006
swim: 3,8km
bike: 180 km
run: 42 km

Brausender Start:
Nie war das Meer unruhiger. Es scheint aufgeregter als die tausendkoepfige Meute der Triathleten, die in ihren schwarzen Neoprenanzuegen und den gruenen Schwimmkappen aussehen wie boese Froesche. Es hat die ganze Nacht gestuermt, das Meer ist aufgewuehlt schon seit dem Abend zuvor, dem Pre-Race-Abend. Aber heute morgen um kurz vor sieben, kurz vor dem eigentlichen Start des Ironman Korea 2006, peitschen die Wellen mit ganzer Wucht an Land der Insel Jeju. Einige der Triathleten versuchen sich schon mal im Bezwingen der Wellen. Der Rueckweg wird leicht werden, beinahe wie von selbst wird der Rueckweg gelingen. Falls man nicht vorher in einer der meterhohen Wellen untergeht, die schon die Sicht auf den Vordermann blockiert - und die Jungs in ihren Kanus, die eigentlich zur Aufsicht eingesetzt werden sollen, verschlucken wie Seetang. Der Strandguard pfeift in seine Trillerpfeife: "zurueck, seid vorsichtig" , soll das heissen. Das Meer zischt und schaeumt, und bald kommen die Wellen wie zaehnefletschende Riesen daher. Vielleicht zeigen sie auch Zaehne, weil sie innerlich lachen ueber die Winzlinge am Strand, die doch am Ende des Tages "Ironmen" genannt werden wollen. Bangen, Aufwaermen, wie ueberstehe ich das? ich bin ein guter Surfer, aber wie meistere ich als Schwimmer maritimes Chaos?
Von Nordost hoert man Donnergrollen, ein Blitz wuenscht guten Morgen - noch ein Donner, der Regen folgt und wird selbst zur gigantischen Gischt, die auch die Zuschauer nicht mehr trocken laesst. Eigentlich haette laengst Start sein sollen, aber man wartet .. auf was? Auf besseres Wetter? Von Zauberhand?
Unter die Wettkampfsanspannung mischt sich Entspannung, genaehrt durch Hoffnung. Bei Gewitter ins Wasser? Das geht selbst in Korea nicht. wieder der Pfiff: "haltet euch im Zaum!". -

Dann die Erloesung: "swimming cancelled". Der Ironman Korea 2006 startet mit dem Radfahren, eigentlich Disziplin Nummer 2. Ich kann mit Gewissheit behaupten, dass diese Entscheidung der Mehrheit der Triathleten aus der Seele spricht, denn fuer die meisten ist Schwimmen nur ein notwendiges Uebel zur Komplettierung des Triathlons. Und nun das. Einige Ubermuetige huepfen in die Wellen und werfen die Arme in den Himmel, sie plantschen, als saessen sie in einem riesigen Whirlpool. Mit den Wellen im Einklang zeigen sie Zaehne und lachen: "Dieser Tag ist jetzt schon mein Tag". Die Nachricht des sportlichen Leiters schlaegt ein wie ein Blitz. Triathlon ohne Schimmstart ist wie Schulfrei wegen Hitze.
Die Froesche wandern den steilen Weg zur Wechselzone. Jetzt wird der Verlauf neu bestimmt. Die Zuschauer wringen sich aus und gehen erst mal fruehstuecken. Der spektaktulaere Wasserstart hat nicht stattgefunden. Was soll's. Das Schauspiel der Natur hat den ersten Akt bravouroes fuer sich entschieden. Als alle abgetrottet sind, beruhigt sich die See ... Wer war da mit wem im Bunde?

Sausender Beginn
Die Regeln werden neu gestaltet: Im Sekundentakt starten die Teilnehmer in der Reihenfolge ihrer Startnummern auf die 180 km lange Radstrecke. Mit Startnummer 749 von knapp 1100 brauch' ich ein wenig Geduld, die ich fuer die mentale Vorbereitung nutzen kann. 3,2,1, dann geht's los. Erste Herausforderung: Insbesondere die asiatischen Fellows fahren in Gruppen, draften, blocken und halten sich nicht an die Fahrregeln. Die ersten Kilometer sind somit von Ueberholmanoevern, kombiniert mit Geschicklichkeitstraining gepraegt. Zweite Herausforderung: das Wetter ... schon als Touri in Badeschlappen leide ich unter der Schwuele, die auf dieser Insel zu Hause ist. An diesem Tag - siehe Meer - kommt der starke Wind hinzu, das Gewitter vom fruehen Morgen meldet sich auch spaeter noch einmal und permanent erfreuen die Platzregen meinen erhitzten Kopf, in summa geht das auf 150 von 180 km so. Die Sichtverhaeltnisse sind entsprechend. Das bisschen Regen vom Frankfurt-Ironman ist, gelinde gesagt, eine Lachnummer im Vergleich.
Aber Regen macht ja bekanntlich schoen und schoen schnell. Zaeh sowieso, und das koennen alle hier heute nicht genug sein. Anfeuerungen gibt es keine, hin und wieder werden die Streckenguards zu Claqeuren, immerhin.
Ist man als Europaer auf Jeju generell "lost in translation", so fuehle ich mich, gemeinsam mit einem niederlaendischen Rad-Mitstreiter, dem ich in der Einsamkeit der Berge begegne, ploetzlich "lost in the mountains". "Weisst du, wo's langgeht?" - "Einmal durch den Nebel, dann durch siebzehn Gewitterregen und schliesslich noch am Wind vorbei." Eigentlich ein Klacks, oder?


Grausender Lauf
Ich stuerme in die Wechselzone, brauche nur knapp zwei Minuten zum Wechsel, verlaufe mich in der ersten Verwirrung kurz und biege dann aber im geraden Kurs auf die Laufstrecke - wo ich zu diesem Zeitpunkt erstaunlich wenig anderen Laeufer begegne. Daran aendert sich auch relativ lange nichts. Die erste Runde ist den Umstaenden entsprechend locker flockig, der stroemende Regen massiert wie eine warme Dusche alles von den Schultern zu den Zehen. Aber der Streckenverlauf ist der Hammer...


Einige der Zuschauer schwimmen weg, andere kaufen Kleidungsnachschub im Supermarkt. Der Regen weicht und macht der Sonne Platz. Nicht gewichen ist die Schwuele: Es ist 37 Grad bei einer Luftfeuchte von 90 Prozent. Dennoch fehlt Wasser - von innen. Die ersten Laeufer werden zu Walkern, selbst die Pros beginnen einen Schleichkurs. Dazu das Auf und Ab der Strecke (fuer die Zahlenfreaks unter euch: Rad- und Laufkurs haben 2460 Hoehenmeter). Die Verwandlung zum Ironman fuehrt an diesem Tag ueber eigentuemliche Zwischenstadien. Einige werden zu Schnecken. Manche zu Clowns der Lage. Ich leide bis kurz vorm Ziel wie ein Hund. Trotz der Luftfeuchte fuehle ich mich wie auf einem Wuestentripp. Die Verpflegungsstellen ersehne ich wie Oasen. Wasser gibt's reichlich, aber es ist warm wie Badewasser - das Eis ist aus. Ich werde immer langsamer - die anderen auch. Ich merke das daran, dass mich niemand ueberholt, was mich auch zuversichtlich stimmt. Meine persoenliche Betreuerin erstuermt hollywoodreif den Supermarkt, um Wasser und Eiskugeln zu kaufen. - Meine Rettung! Es geht wieder bergauf, jetzt sind es "nur noch" 12km, das Ziel schimmert in der Ferne wie eine Fata Morgana. Der Puls beruhigt sich, huepft vielleicht ein wenig wegen der Freude darueber, dass dieses Marathonmassaker bald ein Ende hat.

Mit der schlechtesten Marathonzeit meiner Karriere - aller Karrieren, auch der der Pros, wie sich spaeter herausstellen soll -, kriege ich nach 9h 26 die stolze Kurve ins Ziel: Finish!
- und was fuer eins!
Fotos, Glueck und geile Aussichten: Platz 23 gesamt, Platz 6 age group!

Aloha!
 


Ironman Hawai'i
Kailua-Kona
21 Oktober 2006
swim: for fun
bike: for fun
run: for fun

++++++

Text: Nic Leonhardt