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"Die Härte"

Diese Wettkampfreise ins Paradies und Mutterstätte des Ironman beginnt aufregend: Erdbeben, Nachbeben, Bangen, gestrichene Flüge, der Radkoffer in Chicago, nicht da, wo er sein soll. Nichts zu essen, viel Hunger, viele Fragezeichen.
Aber jetzt ist der Wettkampf da, wir und die anderen Starter auch, heute, am 21. Oktober, ist der Tag des Traums sozusagen. Das Wetter ist ausgesprochen mild, es hat über Nacht geregnet und es weht ein angenehmer Wind. Um vier Uhr ist die Nacht zu Ende - für rund 1700 Athleten, ihre Familien und Fans. Die Ladenöffnungszeiten sind hier flexibel: das beste Cafe öffnet schon um 4am.

Die Athleten werden gewogen, abgestempelt wie, nun ja, eine Viehherde und für die verbleibende Stunde bis zum Wettkampf mit ihren Siebensachen und guten Vorsätzen allein gelassen. Von Aufregung keine Spur, alle sind gut drauf und es sieht eher so aus, als hätten sie einen großen Ausflug vor. - In gewisser Weise stimmt das ja auch.

Die Profis starten eine Viertelstunde früher mit dem Schwimmen als die große Masse der Weltelite. Das Meer wird daher zweimal so richtig aufgewühlt. Unruhig ist es in Folge des Bebens ohnehin noch, und die eine oder andere Welle wirkt denn auch als Hemmschuh beim Schwimmen. Beim Wechsel vom Schwimmen aufs Rad - die Athleten fliegen in Schwärmen in die Wechselzonen - gibt's das übliche Eiern, einmal um die Kurve an den hellwachen und motivierten Zuschauern vorbei, dann die erste Bergwertung und ab in die sagenumwobenen Lavafelder. Mit dem Auto fuhr sich alles ganz prima, aber nun wird endlich klar, was es mit der Radstrecke zwischen Kona und Hawi auf sich hat. Hitze, Steigungen, ödes Asphaltsteinchenzählen, links und rechts schwarzer Stein, ein paar vertrocknete Grashalme sind Zeugnisse des vergeblichen Aufbäumens gegen die Geburt der Insel aus dem Material des Feuers. Die Radfahrer trotzen dem. Überhaupt wird ziemlich schnell klar, dass die 1700 Sportler, die hier am Start sind, aus einem anderen Holz geschnitzt sind. Da sind ältere Frauen besser als Jungspunde, Agegrouper nicht weit vom Profifeld. Übliche Vergleichsgrößen sind für die Füße.

Und so jagen Eine nach der Anderen die Athleten in die zweite Wechselzone, zum Lauf bereit. Publikum, das ordentlich anfeuert, gibt's nur am Anfang, kurz in der Mitte und am Ende, wenn alles geschafft sein wird. Bis dahin ist es ein langer quälender Weg, in Sachen Ödnis steht der Laufkurs der Radstrecke in nichts nach. Wendepunkt am Natural Energy Lab - das so viel "natürliche Energie" sicherlich lange nicht mehr gesehen hat. Die Profis sind längst im Ziel, da läuft die große, tapfere Mehrheit immer noch um den Verstand, motiviert durch Kreidebotschaften auf der Straße, die Anfeuerungen der Besucher, die "good job!", "you did it!", "you look great!" der Volunteers. Jeder wird hier gewürdigt, jeder ist persönlicher Held eines Jeden. Wer das hier schafft, ist ein Ironman.

Ein riesiges Spektakel am Zieleinlauf, Musik, Taumel, Tränen wie noch nie und Gänsehaut am ganzen Körper, Küsse, Blumenkranz, den Schmerz auf der Strecke gelassen. Soll er doch verdorren wie das vorwitzige Gras in den Lavafeldern.
Plötzlich öffnet sich der Himmel und erleichtert sich. Es gießt in Strömen. Kann uns nichts anhaben. Wir schieben Rad und schmutzige Reste durch die Dunkelheit nach Hause.

"Es war die Härte".

"Well, you're an Ironman". (Jetzt erst recht.)
 
Eisernen Dank fürs Mitfiebern daheim!

++++

Text:Nic Leonhardt

wie immer: first out of water...
finishline Kona, Big Island